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FDP-Kreistagsfraktion: An der Quelle europäischer Gesetzgebung


Eine Fülle von Eindrücken, Informationen und Gesprächsterminen sowie eine turnusmäßige Fraktionssitzung bewältigte die FDP-Kreistagsfraktrion binnen dreier Tage zwischen Pfingstmontag und dem 16. Juni in Brüssel. Die Organisation hatte Kreisrat Dr. Alexander Eger (St. Leon-Rot) übernommen, der im vergangenen Jahr bei einer ähnlichen Exkursion mit seinen Bürgermeister-Kolklegen „Brüssel-Erfahrung“ sammeln konnte. Über aktuelle kommunalrelevante Entwicklungen auf europäischer Ebene informierten sich die liberalen Rhein-Neckar-Kreisräte im Europa-Büro der baden-württembergischen Kommunen. Ca. 75% der europäischen Gesetzgebung betreffen die Städte und Gemeinden. Florian Domansky, Leiter des Europabüros, stellte die Organisationsstruktur und Arbeitsweise seiner Einrichtung vor, die seit zehn Jahren besteht.. Das Europabüro der baden-württembergischen Kommunen wird in Bürogemeinschaft mit denjenigen aus Bayern und Sachsen wegen der gleichartigen Kommunalverfassungen betrieben. Es dient u.a. als Förderratgeber (z.B. für Kommunalpartnerschaften) und bietet auch Praktika und Hospitanzen. Domansky informierte auch über die aktuellen Entwicklungen seit dem kommunalfreundlichen Lissabon-Vertrag vom 1.12.2009, über die Problematik der innerstaatlichen Umsetzung sowie zu Fragen des EU-Vergaberechtes und der interkommunalen Zusammenarbeit. Positive Auswirkungen für den Rhein-Neckar-Kreis waren und sind z.B. Preissenkungen und Preisstabilität bei der Müllabfuhr nach Ausschreibung der Abfallverwertung. Nächste Station war die Brüsseler Repräsentanz der FDP-Bundestagsfraktion. Alle Bundestagsfraktionen sind mit Verbindungsbüros in Brüssel vertreten auf einer gemeinsamen Büro-Etage in Parlamentsnähe. Hier informierte Büroleiter Mark Stanitzki über Funktion und Aufgaben des Verbindungsbüros. Ziel und Zweck ist es, frühestmöglich in alle Informations- und Entscheidungsprozesse eingebunden zu sein.

In der Brüsseler Repräsentanz der FDP-Bundestagsfraktion nutzten die liberalen Kreisräte des Rhein-Neckar-Kreises die Gelegenheit, mit Büroleiter Mark Stanitzki aktuelle Themen, wie etwa die einseitigen dänischen Grenzkontrollen und die Europaparlaments-Wahlreform mit der Möglichkeit transnationaler Kandidatenlisten, zu diskutieren. Deutlich strich Stanitzki die Vorteile der EU für Deutschland heraus. So nutzen die europäischen Standards deutschen Unternehmen auf den osteuropäischen und anderen Märkten. Mehr als 60 Jahre Frieden und wirtschaftliche Stabilität, der Wegfall des „Eisernen Vorhanges“, die deutsche Wiedervereinigung, die Freiheit für die Menschen in den ehemaligen Ostblock-Ländern seien weitere wertvolle Folgen der EU. Auch sei der Aufwand nicht überproportional hoch: Verglichen mit den Berliner Sozialbehörden seien die europäischen Institutionen in Brüssel personell schwach besetzt.

Im Europa-Parlament mit MdEP Dr. Wolf Klinz

Nach einem Mittagessen in der Besucherkantine des Europa-Parlaments besichtigte die Besuchergruppe aus dem Rhein-Neckar-Kreis das Parlamentsgebäude. Von 736 Abgeordneten kommen 99 aus Deutschland, davon 12 aus Baden-Württemberg. Von diesen gehören sechs der CDU und je zwei der FDP, den Grünen und der SPD an. Dr. Wolf Klinz (FDP-MdEP seit 2004 aus Frankfurt a.M.) informierte über die Arbeit der liberalen Fraktion ALDE, der mit 84 Mitgliedern drittgrößten im EU-Parlament. Wie auch die Kreistagsmitglieder sprach sich Dr. Klinz gegen den „Sitzungstourismus“ von Brüssel zu den ein Mal monatlich in Straßburg stattfindenden Parlamentssitzungen aus. Die Liberalen wollen dies schon seit langem abschaffen, doch scheitere dies am Veto Frankreichs. Die Kosten sind enorm: 2 Sonderzüge, Flüge, Hotelkosten, Verpflegung, Aktentransfer. Hunderte von Mitarbeitern sind wegen vier Sitzungstagen pro Monat unterwegs. 200 Mio. Euro p.a. und 20 000 to CO2-Ausstoß könnten eingespart werden, wäre Brüssel einziger Parlamentssitz! Breiten Raum nahm die Diskussion um das Für und Wider der Finanzhilfe für Griechenland ein.. Auch eine weitere Hilfe werde letztlich vergeblich sein, wenn sich in Griechenland strukturell nichts ändert. Eine Chance für Griechenland sieht FDP-MdEP Dr. Klinz im Ausbau z.B. von Piräus zum südosteuropäischen Logistikzentrum, so wie dies in Singapur für Südostasien gelungen sei. Dies verkürze den Warentransfer und verbillige ihn einerseits, schaffe andererseits Arbeitsplätze und Wirtschaftskraft in Griechenland, das mit Tourismus und Agrarprodukten allein nicht wieder in die Höhe kommen könne.

FDP-Kreisräte im Gespräch mit EU-Parlaments-Vize Rainer Wieland

Im Rahmen ihrer Brüssel-Exkursion trafen sich die Mitglieder der FDP-Kreistagsfraktion zu einem Abendessen mit Rainer Wieland, CDU-MdEP und Parlaments-Vizepräsident, wobei nicht nur europäische Themen, sondern auch Fragen der Zusammenarbeit innerhalb der Berliner Regierungskoalition zur Sprache kamen. Rainer Wieland warb für die Europa-Union, einer überparteilichen Vereinigung von Europa-Befürwortern, deren Landesvorsitzender er in Baden-Württemberg ist. Wichtig und zielführend sei es, dass im Hinblick auf die Relevanz der europäischen Gesetzgebung für Kommunen und Landkreise auch in den Kreistagsfraktionen Europa stärker in den Mittelpunkt der politischen Arbeit rückt.

In der Brüsseler Landesvertretung Baden-Württembergs

Über die Schwerpunkte der Arbeit des Landes Baden-Württemberg auf EU-Ebene und aktuelle Themen informierte Eyke Peveling, der stv. Leiter der Landesvertretung, die ihren Sitz nahe beim Europa-Parlament hat. Wichtig auch hier: frühestmögliche Einflussnahme, aktuell hinsichtlich der Ausgleichszahlungen an die Gemüsebauern in Baden-Württemberg in Folge von EHEC. Die Interessenvertretung erfolgt über die EU-Kommission oder den Ministerrat. Peveling ging näher auf die „Donaustrategie“ ein – Strukturförderung für eine Makro-Region bestehend aus 6 EU- und vier weiteren Staaten im Donau-Raum. Ziel sei es, die Wertschöpfung möglichst in Deutschland, hilfsweise in Europa zu halten, um sie nicht an China zu verlieren. Die 27 Mitarbeiter(innen) der Landesvertretung sehen sich als Lobbyisten für Baden-Württemberg. Insgesamt arbeiten in Brüssel zwischen 10 000 und 15 000 Interessenvertreter, so Peveling.

Im Europabüro des Deutschen Sparkassen- und Giroverbandes

Das dreigliedrige deutsche Bankenwesen hat in Europa nahezu Alleinstellungsmerkmal. Die Sparkassen in kommunaler Trägerschaft werden mit Staatsbanken („public bank“) verwechselt oder gleichgesetzt, erläuterte der Leiter des Europabüros der deutschen Sparkassenorganisation, Dr. Lothar Blatt-von Raczeck. Wie auch die Volks- und Raiffeisenbanken seien die Sparkassen nicht die Auslöser der Finanzkrise gewesen, müssen aber mit den aufsichtsrechtlichen Sanktionen und bürokratischen Restriktionen künftig leben, was wettbewerbsverzerrend sei. Die Sparkassen wie auch die Genossenschaftsbanken können eine außerordentlich gute Förderbilanz für das Gemeinwohl aufweisen und seien zudem gute kommunale Steuerzahler. Dr. Blatt-von Raczeck ging auf aktuelle Themen ein wie etwa das Bankkonto für jedermann, das es auf freiwilliger Basis in Deutschland bereits gibt, und auf die Hypothekenkredit-Richtlinie zur Beseitigung des bisherigen Festzinsmodells.

Ausschuss der Regionen

Der Ausschuss der Regionen (ADR) ist die Interessensvertretung lokaler und regionaler Gebietskörperschaften gegenüber der EU in Brüssel. Dort war die letzte Station der FDP-Kreistagsfraktion bei deren Informationsfahrt in die europäische Hauptstadt. Deutschland entsendet dorthin 24 Vertreter von insgesamt 344 Mitgliedern. Den ADR gibt es seit 1994. In ihm werden – wie auch im EU-Parlament – 23 Sprachen gesprochen: von deutsch bis gälisch. Gesetzgebungsinitiativen besitzt der ADR nicht. Er ist ein Beratungsgremium, allerdings mit hohem politischem Einfluss. Wie sich die Regionen der Nationalstaaten definieren – geographisch, ökonomisch oder politisch - bleibt diesen überlassen. Kleinere EU-Staaten werden dort mangels Regionen durch Kommunen repräsentiert. Anders als die Landesvertretungen hat der ADR jedoch ein Anhörungsrecht gegenüber der EU-Kommission. Werner Hullmann, einer der 550 Mitarbeiter des ADR, stellte aktuelle Beratungsthemen vor und erläuterte die Mitarbeit bei EU-Richtlinien zu den Ausschreibungen der öffentlichen Hand, im Bereich Umwelt- und Naturschutz und Dienstleistungen.

Fraktionssitzung

Die Brüssel-Exkursion der Kreistagsfraktion nutzte Vorsitzende Claudia Felden (Leimen) für die turnusmäßige Sitzung zur Vorbereitung der nächsten Kreistags-Ausschüsse. Entsprechend ihrer Ausschuss-Zugehörigkeit erläuterten die jeweils zuständigen Kreisräte die Themen für die Meinungsbildung der Gesamtfraktion. Die nächste öffentliche Kreistagssitzung ist am 26. Juli. Ein neuer Zuständigkeitsbereich wurde dem Thema Europa – auch im Hinblick auf die gewonnenen Erfahrungen in Brüssel – geschaffen. Künftig ist hierfür in der FDP-Kreistagsfraktion Kreisrat Dietrich Herold zuständig.


Bilduntertitel: FDP-Kreistagsfraktion im Europa-Parlament

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